Mittwoch, 26. Juni 2013

Allgemeine Schockstarre: wieder daheim

Leider haben auch die schönsten Tage irgendwann ein Ende. Das mussten vor allem Marcus und ich feststellen, als wir vor gut drei Tagen zurückkehrten in die "Big City of Dreams", Schwerin. Denn trotz all familiärer Wiedersehensfreude und sonstigen sozialen Sehnsüchten erschlug uns Schwerins prägnantes Alleinstellungsmerkmal der absoluten Ereignislosigkeit innerhalb von wenigen Tagen, wenn nicht sogar Stunden mit voller Wucht. Kein Jubel, kein Trubel, keine Heiterkeit, - Schwerin halt. Im allgemeinen Traveler-Jargon bezeichnet man dies übrigens als "The Great Afterdepression".
Samstagabend in der Big City of Dreams - Schwerin

Naja, muss man auch mal erlebt haben.

Und hier und da hat das sogar seine Vorteile. Denn nach 4 Monaten auf der Überholspur des Lebens sollte der ein oder andere Tag, der während der Reise zur Verarbeitung des ganzen Wahnsinns fehlte, nun mit Leichtigkeit nachgeholt werden können. Es beginnt die Zeit, die schier endlos vorhandene Energie und Inspiration in produktive Dinge umzusetzen. Das beginnt bei dem Versuch so etwas wie eine Ordnung im totalen Festplattenchaos zu erstellen und endet vermutlich in der Überlegung, ob und wie man seine Erlebnisse dann doch nochmal zu Papier bringen kann.

Die Zeit wird

ruhiger, ich hoffe nicht zu ruhig.

Ich geh dann mal eine Runde im Schlossgarten laufen - allein.

Sonntag, 16. Juni 2013

Still alive - und mal wieder auf einsamen Inseln

Ich weiß, mittlerweile erwartet es keiner mehr: Reisegruppe Ostdeutschland ist immer noch am Leben. Jedoch haben wir uns, zielstrebig wie wir sind, mal wieder ein einsames Island gesucht, auf dem Hostels zwar großspurig mit "Wifi" werben, dieses aber nur in den seltensten Fällen funktioniert.

Kurzes Update: Nachdem wir in Costa-Rica noch das Jochen-Drama beendet haben, sind wir schnurrstracks über die Grenze nach Panama, wo wir uns nach einigen verregneten Tagen in Costa Rica vor allem eines versprachen: Sonne. Und wie ihr auf folgenden Bildern wohl ausreichend erkennen solltet: unser Plan ging auf.

Ein Tag in Bocas (sieht stressig aus, ich weiß)













Montag, 10. Juni 2013

Costa Rica - Honduras 1:0: Wir waren dabei!

Das Estadio Nacional in San Jose fasst 35.000 Zuschauer
Ja, ich weiß, selbst den größten Fussballästheten unter uns läuft im Anblick der Partie Costa Rica gegen Honduras nicht sofort das Wasser im Mund zusammen. Nichtsdestotrotz sind wir im Nachhinein extrem zufrieden 30$ in dieses Spiel investiert zu haben. Und zwar nicht weil wir ein ausuferndes Fussballfest geboten bekommen haben, sondern weil die Costa Ricaner schlichtweg wissen, wie man Fussball zelebrieren kann. Das vorentscheidende Spiel um die WM-Qualifikation endete übrigens 1:0 für den Gastgeber  und wurde durch diese Glanztat entschieden http://www.youtube.com/watch?v=M4vfQD8YSw8.


Kurzentschlossener Trikotkauf



Sonntag, 9. Juni 2013

Autoverkauf in Costa Rica: Es hätte so schön sein können

Im Konjunktiv klang mal wieder alles so schön. 

Unser für etwa 2000$ in San Francisco erworbener Jeep Grand Cherokee hat in Costa Rica tatsächlich einen Listenpreis von etwa 4,500 bis 5000 $. Da wir dies in etwa genauso sehr erwartet hatten wie dass Roman Weidenfeller ernsthaft nochmal Welttorhüter wird, waren die Jubelarien entsprechend groß.

Zu allem Überfluss wurden unsere nicht zu Ende gedachten finanziellen Traumvorstellungen auch noch von einem costa-ricanischen Amigo namens Orlando vollends bestätigt und zu guter Letzt erklärte sich dieser sogar noch bereit unseren Liebling Jochen über seine "guten Kontakte" an den Mann zu bringen. Wir konstatierten gemeinsam:

"Wie easy geht denn dieser Autoverkauf vonstatten?"

Die Flüge nach Jamaika und Kuba waren quasi schon gebucht. 

Die neuen Jochen-Besitzer
Doch es kam mal wieder alles ganz anders. Denn leider erwies sich unsere costa-ricanische Samstagabendbekanntschaft Orlando eher als Freund großer Worte statt großer Taten und so lernten wir auf eigene Faust die bittere Realität eines internationalen Autoverkaufs kennen. Denn was Orlando ebenso wie wir komplett ausblendete - oder im Rausch des zukünftigen Reichtums erfolgreich ignorierte -, waren die absurd hohen mittelamerikanischen Zoll- und Steuergebühren eines Autos, das lediglich über eine amerikanische Anmeldung verfügt. Etwaige Einführungskosten beliefen sich summa summarum auf ungefähr 3000$, sodass unser fahrender Lottogewinn Jochen mal schwuppdiwupp zum Problemkind Jochen wurde. Denn trotz allgemeiner Übereinstimmung "that this is a very good car" hatte Jochen einige weitere gravierende Defizite - zumindest in den Augen costa-ricanischer Autohändler. 190 Pferdestärken und ein V8 Motor seien auf costa-ricanischen Straßen ebenso "problematisch" wie ein stinknormaler Benzintank. Daraus versuche man mal schlau zu werden. 

Unter dem Strich bedeutete dies für uns einige wirklich zermürbende Nachmittage, an denen wir Autohändler um Autohändler in und um San Jose abklapperten und gewisserweise froh sein konnten, wenn wir überhaupt ein Angebot erhielten. Das Gros der Autohändler schickte uns nämlich aufgrund der Komplikationen mit den Importgebühren direkt wieder auf den Heimweg. Nach einigen verzweifelten Stunden fanden wir schließlich doch noch einen Herren, dem das Geschäft mit dem Grand Cherokee schmackhaft genug erschien und er legte uns immerhin 1000 Dollar Cash auf den Tisch. Da mit dem Geld des Autoverkaufs sowieso niemand von uns mehr gerechnet hatte, ist das soweit kein Problem für uns. Aber die frappierende Ironie des Ganzen ist wohl mal wieder wie eng Himmel und Hölle zusammenliegen können. 

Samstag, 1. Juni 2013

Stadtluft, yeah!


Ja, du hast wirklich richtig gelesen, das Stadtkind auf Abenteuerreisen schreibt: „Stadtluft, yeah!“.

Vielleicht mag es schwer nachzuvollziehen sein, doch nach Wochen auf einsamen Inseln ohne nennenswerte Zivilisation und einigen Tagen mitten in Costa Ricas Berglandschaft verspürt man irgendwann das dringende Bedürfnis nach Großstadt, das Bedürfnis nach Klamottenläden, das Bedürfnis nach Menschen, deren Lebensmittelpunkt nicht der Verkauf von Tacos darstellt. Ohne dabei abwertend klingen zu wollen, aber auf den Punkt gebracht, heißt das: Wir vermissen unsere westliche Zivilisation ein wenig. 
Autofahren im Bergland Costa Ricas

Glücklicherweise kann Costa Ricas 288.000-Einwohner-Hauptstadt San Jose (von der uns mal wieder alle Reisenden dringend abgeraten haben) diese Sehnsucht erstaunlich gut stillen. Denn im Gegensatz zu wirklich allen Städten, die wir seit Mexiko bereist haben, scheint San Jose keineswegs industriell irgendwo in den Achtzigern zu verharren, sondern könnte problemlos auch mit einer kleineren amerikanischen Großstadt verwechselt werden. Was in unserer aktuellen Stimmung ein absoluter Segen  ist.  

Was uns nach San Jose treibt, ist leider alles andere als erfreulich: Wir müssen - schweren Herzens - unseren treuen Freund und geliebten Wegbegleiter Jochen (wer es immer noch nicht mitbekommen hat: unser Auto) in der Hauptstadt Costa Ricas verkaufen, da San Jose schlichtweg die letzte Gelegenheit ist, dies finanziell lukrativ zu tun. Vor allem interessant wird dabei sein, ob der Masterplan dieser Reise, ein etwas teureres Fahrzeug in San Francisco zu kaufen, um es dann zu mindestens gleichem Preis wieder zu verkaufen, aufgeht. Ich halte euch diesbezüglich gerne auf dem Laufenden, allerdings haben horrende Zoll- und Ummeldegebühren bereits für gewaltige Fragezeichen hinter unserem Unterfangen gesorgt. Unser in Lateinamerika erworbenes Verhandlungsgeschick wird also erneut gefragt sein.
Backpackers Hostel San Jose

Auf der Suche nach Stress


Nichtsdestotrotz ist sich Reisegruppe Ostdeutschland (+Laura) lustigerweise sehr einig, dass uns der Stress, den so ein internationaler Autoverkauf so mit sich bringt, durchaus gut tut, da unsere letzten Wochen sich irgendwo zwischen entspannend, extrem ruhig und einschläfernd bewegten. Um dies einmal treffend zu veranschaulichen, ein Google-Sucheintrag von unserem Experten für innere und äußere Sicherheit Marcus Schrapers:

„Legale Macheten-Einfuhr nach Deutschland“

Soviel dazu.

Unser Experte für innere und äußere Sicherheit hat im übrigen heute auch Geburtstag und wir werden nun, typisch costa-ricanisch, zu einem waschechten brasilianischen All You Can Eat Buffet. Yummi!

In eigener Sache: Sind die Videos von der Canopy-Tour auch in Deutschland abspielbar?


Freitag, 31. Mai 2013

Tarzan aus Monteverde!

Keine Sorge, ich bin nicht so egozentrisch, dass ich ausschließlich Videos von mir selbst hochlade, aber mysteriöserweise sind diese qualitativ am ehesten zu gebrauchen.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Superman aus Monteverde!

(Größenwahnsinnige) Eindrücke von unserer Canopy-Tour durch die Regenwälder von Monteverde/ Costa Rica.

Samstag, 25. Mai 2013

I Think I Saw Paradise: The Corn Islands

 Liebe Blog-Verfolgerinnen, liebe Blog-Verfolger,

Nein, ich bin über die letzten 14 Tage nicht furchtbar schreibfaul oder uninspiriert gewesen, sondern die jüngste Blog-Abstinenz hatte durchaus nachvollziehbare Gründe. Denn: Reisegruppe Ostdeutschland - die im übrigen mal wieder aufgestockt wurde durch meine ehemalige Nachbarin Laura - hat sich leichten Mutes dafür entschieden, für ein paar Tage auf den Corn Islands zu leben und fünfe so gerade zu lassen wie nur irgendwie möglich.

Das Gute daran: Wir sind uns nun relativ sicher, zu wissen, wie in etwa das Paradies - oder mindestens der Drehort von Raffaello-Werbespots - aussieht. Das Schlechte daran: Im Paradies schert man sich recht wenig um passable Internetverbindungen.

In Anbetracht der folgenden Bilder sind jedoch einige Tage, an denen die allgemeine Facebook-Abhängigkeit in den Hintergrund tritt, wohl durchaus zu verschmerzen. Enjoy it! So we did!

Die Corn Islands 















Montag, 13. Mai 2013

Lust auf Abenteuer? Fahr mal an die Grenze von Honduras!


Nach einer wunderbaren Zeit im el salvadorianischen Pazifik-Dschungel – so widersprüchlich dieser Begriff auch klingen mag – hat sich Reisegruppe Ostdeutschland gestern mal wieder festes Schuhwerk angezogen und ist in die Schlacht mit diversen Grenzbehörden gezogen. Da unser Reiseziel dabei Nicaragua lautete, bedeutete dies gleichzeitig eine doppelte Auseinandersetzung mit den Damen und Herren der honduranischen Borderpatrol. Es gibt wirklich weitaus schönere Nachmittagsaktivitäten. Denn: Jeder Freizeitfussball-Spielbetrieb Deutschlands ist vermutlich effizienter organisiert.

Zwischen den Staaten El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica besteht das sogenannte C-4-Abkommen, das – eigentlich – den Sinn haben soll, die Grenzüberquerungen zwischen den genannten Staaten zu vereinfachen. Der Vorteil dabei: der Reisende braucht sich nach der Ausreise aus Guatemala nicht mehr um einen Ein- bzw. Ausreisestempel der jeweiligen Länder in seinem Pass bemühen, was ihm im Umkehrschluss wiederum zahlreiche Warteschlangen an überfüllten Grenzübergängen erspart. Grundsätzlich ist das ja eine super Idee – wenn sie denn auch konsequent umgesetzt werden würde.

Etwa um neun Uhr morgens erreichten wir die Grenze zwischen El Salvador und Honduras und passierten diese nach etwas Papierkram für Jochen (unser Auto) in erstaunlich schnellem Tempo, da uns ja die besagten Stempel erspart blieben. Das dies auch definitiv so in Ordnung sei, versicherte uns im übrigen auch noch ein el salvadorianischer Grenzmitarbeiter mit einem breiten Lächeln.

Ebenfalls freudestrahlend passierten wir also die Grenzmärkte zwischen El Salvador und Honduras und das Einzige, was unser allgemeines Erstaunen über die Unkompliziertheit der Grenzüberquerung etwas trübte, war ein kurzes aber umso absurderes Intermezzo mit der Polizei. Ein anscheinend finanziell motivierter Polizist wies uns in einem Land, in dem Menschen hauptsächlich auf Ladeflächen und Autodächern am Straßenverkehr teilnehmen, ernsthaft darauf hin, dass wir nicht angeschnallt seien und dass man auf keinen Fall Barfuß fahren dürfe und rieb uns mit Hilfe eines Gesetzbuches, das die Anmut eines Hausaufgabenheftes eines Fünftklässlers hatte, seine vorgestellten Sanktionen unter die Nase. Dabei handelte es sich selbstredend um finanzielle Sanktionen. Nun, der gute Herr war bei weitem nicht der erste Polizist, mit dem wir uns bisher auseinandersetzen durften. Folgerichtig  schmetterten wir verhältnismäßig routiniert alle seine semilegalen Forderungen nach „50 Dollar“, wie er es so schön gebrochen hervorkeuchte,  mit einem gekonnten „No hablamos Espagnol“ (Wir sprechen kein Spanisch) sowie einem „Ingles tampoco“ (Englisch auch nicht) ab, bis es selbst ihm irgendwann zu peinlich wurde. Schließlich sind wir ja Deutsche. Da hat man von Englisch noch nie was gehört ;-)

Etwa 200 Kilometer legten wir in Honduras zurück und standen schließlich an der nächsten Grenze zu Nicaragua. "Das ging aber schnell bis jetzt", konstatierten Marcel und ich einstimmig.                      Leider passierte hier dann das, was ich irgendwie schon den ganzen Tag im Gefühl hatte. Mit der Hilfe eines honduranischen Jugendlichen fanden wir uns ungewohnt zielstrebig im Haus – oder eher der Baracke – mit den großen Lettern MIGRACION wieder, wo ein Beamter mit mittelmäßiger Laune  unsere Pässe unter die Lupe nahm.

„You need a stamp from Amarillo! Where is it?“

Was für einen Stempel denn nun? Wir hatten doch weit und breit ausgekundschaftet, dass ein solcher nicht vonnöten sei. In perfektem Neandertaler-Spanisch erklärten wir dem wenig diskussionsfreudigen Herren, was uns an der anderen Grenze zu dieser Thematik versichert wurde, worauf dieser uns mitteilte, dass dies absoluter Blödsinn sei, weil Honduras seit geraumer Zeit nicht mehr Teil des C4-Abkommens ist.

Klasse! Nach irgendwelchen semikriminellen Überlegungen entschlossen wir uns also – mit spürbar schlechterer Laune – den Rückweg anzutreten und wieder 200 Km bzw. insgesamt 400 Km hinter uns zu bringen.

Aus einer völlig entspannten Ankunft in nicaraguanischen Leon im Laufe des Nachmittags wurde so eine abendliche Welcome Back Party an der Grenze. Immerhin kannten wir uns hier nun bereits bestens aus. Und man mag es kaum glauben: Wir passierten sie!

Mit reichlich lustigen Nebengeschichten - wie beispielsweise einem Grenzpolizisten, der versuchte als „Wegzoll“ ein Brooklyn Nets Cap oder einen elektrischen Rasierer abzugreifen oder einem betrunkenen Grenzbeamten, der uns quasi als Mitfahrgelegenheit nach Hause nutzte – erreichten wir triefend nass und zugegebenermaßen etwas gestresst das schicke Örtchen Leon in Nicaragua.

Puh! Eigentlich hatten wir uns diesen Tag etwas anders vorgestellt. Doch wie wir alle wissen: Der Weg ist das Ziel.   

Samstag, 11. Mai 2013

Probleme eines Bloggers

Kinders, es tut mir wirklich schrecklich leid, aber mittlerweile bin ich endgültig in der dritten Welt angekommen, wo das Internet leider alles andere als einen Gegenstand des täglichen Gebrauchs darstellt. Insofern werden sich die Blogeinträge in den kommenden Wochen leider auf ein Minimum beschränken. Aber was will man auch anderes im Dschungel El Salvadors erwarten?!

 Schön ist es hier trotzdem! Viele Grüße!

Sonntag, 28. April 2013

Die vielsagenden schiefen Mauern von Mexiko-Stadt


Nach einem zweistündigen Spaziergang entlang der Paseo de la Reforma, deren Anblick vorrangig durch hoch aufgeschossene Wolkenkratzer und ein reges Verkehrsaufkommen gekennzeichnet ist, bin ich mir endgültig sicher: das Zentrum von Ciudad de Mexico inklusive seiner verwinkelten Flaniermeilen im Umkreis des ehrwürdigen Palacio Nacional am Zocalo könnte wohl eins zu eins das Zentrum beinahe jeder europäischen Großstadt prägen. Egal ob in London, Paris oder Berlin.

Nichtsdestotrotz fühlt man sich auch als Besucher, der eigentlich nur selten die westliche Keule der Moral mit sich trägt, irgendwie dazu gedrängt, dem All You Can Eat Pauschaltouristen entgegen zu rufen: „Der Schein trügt.“

Die ersten Indizien dafür sind augenscheinlich. Denn selbst dem mehr oder weniger geschulten Touristenauge fällt nach nur einigen Stunden in der mustergültig hergerichteten Innenstadt unweigerlich auf, dass ein großer Teil der historischen Mauern im Zentrum von D.F., wie die Mexikaner ihre Hauptstadt zumeist nennen, schief stehen. Die Mauern der Gebäude - seien sie historisch bedeutsam oder nicht - neigen, ähnlich dem schiefen Turm von Pisa, zu einer bestimmten Seite. Was an für sich wohl selbst für den hyperkritischsten Touristen kein sonderliches Problem darstellt. Jedoch spiegelt dieser vermeintlich ausschließlich baustatische Mangelzustand beinah in Perfektion die sozialen Probleme der mexikanischen Metropole wider, die knapp neun Millionen Menschen beheimatet.

Denn trotz aller Schönheit des kulturell geprägten Zentrums der Innenstadt, erscheint fast es so, als ob die ungeliebten und gern überhörten Stimmen der Armut bis in die Innenstadt hallen und buchstäblich versuchen, an den prachtvollen Fassaden der Gebäude zu rütteln.

Zwischen 1870 und 1911 versuchte der Diktator Porfirio Diaz den schier niemals endenden Herausforderungen eines progressiven Bevölkerungswachstums mithilfe einer innovativen Reform entgegenzutreten, die bis dato ihresgleichen suchte. Er beschloss, den Lago de Texcoco - der aus heutiger geographischer Sicht mitten in Mexiko Stadt liegen würde - komplett trocken zu legen, um neuen Wohnraum für die zahlreichen Einsiedler der Stadt zu schaffen. Ein Vorhaben, dessen Intention gar nicht so unedel klingt, das jedoch so unzureichend in die Tat umgesetzt wurde, dass es bis heute unfreiwillig die Identität der gesamten Hauptstadt prägt.

Für die völlig verarmte Bevölkerung, die nun auf den ehemaligen Sumpfgebieten haust, bedeutet die tägliche Gefahr eines Erdrutsches in Kombination mit der ebenso latenten Gefahr eines Erdbebens die dauerhafte Gefährdung ihrer gesamten Existenz. Für die Regierungsangestellten und Banker, die in der florierenden Innenstadt ihr täglich Werk verrichten, bedeutet die Auseinandersetzung mit der mangelhaften Erdsubstanz hingegen wohl vielmehr ein Luxusproblem, da im Distrito Federal, kurz: D.F. , die allerwichtigsten baulichen Maßnahmen natürlich längst ergriffen wurden. Selbstredend nimmt das lästige Problem mit der mangelhaften Bausubstanz für sie auch weitaus weniger dramatische Ausmaße an.

Insofern interessiert wohl vor allem Frage nach der eigenen Interpretation eines Paradoxons, das die gesellschaftliche Identität der ehemals größten Stadt der Welt nahezu perfekt resümiert. Einerseits verdeutlichen die völlig unterschiedlichen Ausmaße ein und desselben Problems die tiefe Gespaltenheit Ciudad de Mexicos in Arm und Reich nahezu perfekt und auf der anderen Seite stellt die seit über hundert Jahren vorhandene gemeinsame Problemstellung wohl gleichzeitig die letzte Faser eines völlig ramponierten Fadens zwischen den Eliten Mexico Citys und seinen bettelarmen Bevölkerungsschichten dar.

 

Sonntag, 21. April 2013

Die kulinarische Nahtoderfahrung


Eigentlich besitzt die Reisegruppe Ostdeutschland bei der Wahl ihrer Mahlzeiten eine in Stein gemeißelte Grundsatzordnung. An oberster Stelle steht dabei, dass es für wenig Geld extrem viel Essen geben muss - und das heißt in Mexiko wirklich extrem viel - sowie dass die Hygiene der Küche zumindest deutschen zwei Sternen entspricht. Schlussendlich bedeutet dies dann zumeist, dass wir uns täglich etwa eine Stunde – manchmal auch zwei oder drei - nur mit unserer Restaurant-Auswahl beschäftigen. Bis dato fuhren wir mit dieser tendenziell nervenaufreibenden Essensselektion auch recht gut, doch gestern dachten wir:

"Heute machen wir alles anders."

Aufgrund einer Verabredung in den Abendstunden waren wir etwas in Zeitnot und trafen notgedrungen etwas zügiger unsere sonst bis ins kleinste Detail durchdachte Entscheidung. Ein fataler Fehler.

Unter einer kleinen Ansammlung mexikanischer Spezialitäten begeisterte vor allem Marcus und mich – ganz unserem Prinzip „viel für wenig“ entsprechend - der "platos grande". Auf deutsch: der große Teller. Dementsprechend groß war auch die kulinarische Euphorie unsererseits. Als wir dann jedoch sahen, dass der große Teller skurrilerweise in einer Schüssel serviert wurde, ergriff uns bereits erste Skepsis und wir sezierten die merkwürdige rote Suppe. Bei genauerer Betrachtung erkannten wir dabei so etwas ähnliches wie Fleisch in der fettigen Brühe, das wie rohe Hühnerhaut anmutete. Den Gest... ehm, den Geruch, den dieses ganze Spektakel dabei absonderte, möchte ich an dieser Stelle mal ganz außen vorlassen. Auch unsere Träume, dass dies nur die Vorspeise sei, zerschlugen sich mit einem ruppig-freundlichen „Das ist alles“ der Thekenfrau recht unverzüglich. Ohnehin hatten wir uns bereits gefragt, warum die beiden mexikanischen Köchinnen uns bei unserer Bestellung offensichtlich aus- oder formulieren wir es mal positiv anlachten.

Die Bilanz dieses ganzen Desasters lautete unter dem Strich: 150 Pesos für drei unangetastete "platos grande" und Baggi liegt mit Magen-Darm im Bett.

Die eigentliche Spitze des Eisbergs ereilte uns dennoch aber erst heute früh. Denn beim Frühstück teilte uns unsere mexikanische Gastgeberin mit, dass es sich beim „platos grande“ um ein Gericht handelte, dass selbst unter Mexikanern als außerordentliche Delikatesse gilt. Pancita nannte sich nämlich unser Abenteueressen - gewürzte Suppe mit Schweinemagen. Bon provecho!

Die Moral von der Geschicht: In Zukunft machen wir aus unserer Essenauswahl wohl lieber wieder eine Wissenschaft.